Am 19. Juli 2011 war es wieder soweit - wir durften bei unserer Veranstaltung B11 - Vision of the Future den amerikanischen Nobelpreisträger David Baltimore in Bregenz begrüßen.
Die Forschungsarbeiten des renommierten Krebsforschers und Robert A. Millikan Professor für Biologie am California Institute of Technoloy (Caltech) in Pasadena trugen wesentlich dazu bei, die Rolle von Viren bei der Entstehung von Krebs zu klären. Seine Erkenntnisse sind fundamental für das heutige Verständnis von Vorgängen in der Zelle beim Befall von Retroviren.
David Baltimore wurde am 7. März 1938 in New York geboren. Nachdem er 1960 seinen Bachelor in Chemie am Swarthmore College in Pennsylvania mit Auszeichnung absolviert hatte, studierte er zunächst am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und dann an der Rockefeller University, an der er 1964 promovierte.
Den Berufswunsch des Biologen fasste er bereits zur Zeit der High-School. Im Rahmen eines Sommerprogramms für wissenschaftlich talentierte SchülerInnen bot sich ihm am Jackson Memorial Laboratory in Bar Harbor in Maine die Möglichkeit, mit WissenschaftlerInnen zusammenzuarbeiten und einen ersten Einblick in biologische Forschung zu gewinnen. Hier lernte er auch Howard M. Temin kennen, mit dem er einige Jahre später den Nobelpreis erhielt.
Nach der Promotion war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MIT, am Albert Einstein College of Medicine (Bronx, New York) und am Salk Institute for Biological Studies (La Jolla, Kalifornien) tätig.
1968 kehrte er ans MIT zurück und arbeitete als Dozent für Mikrobiologie und später als Professor. 1973 trat er der Abteilung für Krebserforschung bei, womit sich der Schwerpunkt seiner Arbeit und auch sein persönliches Interesse zunehmend auf die Erforschung und Behandlung von Krebs verlagerte. Das in diesem Zusammenhang von Baltimore entdeckte Enzym Reverse Transkriptase umschreibt die Ribonukleinsäure (RNA) in Desoxyribonukleinsäure (DNA) – diese spielen eine wichtige Rolle in der Synthese von Proteinen und der Weitergabe des Erbguts - und ist für die Vermehrung von sogenannten Retroviren essentiell.
WEITERE STATIONEN BALTIMORES SIND:
Aktuell arbeitet er an einem Programm namens „Engineering Immunity“, das sich u.a. mit Gentherapiemethoden befasst, um Krebs und HIV zu behandeln.
Derzeit arbeitet er als Robert A. Millikan Professor für Biologie an einem nach ihm benannten Labor am Caltech.
Aus der Untersuchung von Viren und deren Einfluss auf die Zelle im Rahmen umfangreicher Studien entwickelte David Baltimore ein fundamentales Klassifikationsschema für Viren, die sogenannte „Baltimore-Klassifikation“.
David Baltimore ist seit 1968 mit der Mikrobiologin Dr. Alice S. Huang verheiratet und hat eine Tochter.
KREBSFORSCHUNG AKTUELL
So vielfältig die Probleme im Hinblick auf bösartige Zellveränderungen sind, so schwierig ist nach wie vor der Kampf gegen die „Krankheit mit ihren 100 Gesichtern“. Der US-Virologe fasst zusammen, dass die „wichtigsten Krebsarten heute noch genauso tödlich [sind] wie vor 50 Jahren". Baltimore betont, dass es sich bei Krebs nicht um eine, sondern um hunderte Krankheiten handelt.
Bösartige Tumoren können infolge von Umwelteinflüssen, Infektionen oder genetischer Disposition entstehen, zudem sind verschiedenste Zelltypen im Stande, Wucherungen zu bilden. Krebs lässt sich nur schwer fassen, eine einzige Mutation genügt, um ein Krankheitsbild völlig zu verändern.
Laut Baltimore liegt der Ursprung jedes bösartigen Tumors in unseren Genen. Ursprünglich normale, am Zellkreislauf beteiligte Gene verändern sich durch eine Mutation so, dass sie das ungebremste Tumorwachstum fördern. Die so entstandenen Onkogene (wörtlich „Krebs-Gene“) und bösartigen Wucherungen gezielt zu bekämpfen oder zu verhindern, ist daher ein komplexes Unterfangen.
Von besonderer Bedeutung für Baltimore war jene Zeit, als er den zweithäufigsten chronischen Blutkrebs, die chronische „myeolitische“ Leukämie, untersuchte. Er fand heraus, dass diese Krebsart auf ein einziges verändertes Enzym namens BCR-Abl zurückzuführen ist. Für dieses - für Krebszellen überlebensnotwendige - Enzym scheinen wir keine Schutzgene zu besitzen. Durch den Wirkstoff „Imatinib“ kann jedoch dieses Enzym außer Gefecht gesetzt, der Verlust der „normalen“ Form des Enzyms über alternative Signalwege gesunder Zellen kompensiert werden.
Leider sind komplexere Krebsarten nicht durch Unterdrückung eines einzigen Enzyms therapierbar und es kommt hinzu, dass sich bereits erste Resistenzen gegen das Medikament entwickeln.
„Ein Heilmittel für Krebs zu finden hieße, mit einem einzigen Medikament Hunderte von Krankheiten gleichzeitig zu bekämpfen – darin besteht die große Herausforderung für die Wissenschaft.“
In der Krebstherapie wird derzeit vor allem mit unspezifischen „Zell-Killern" mit vielen Nebenwirkungen gearbeitet. Wesentlich aber wäre, so Baltimore, jeweils individuelle Therapien zu entwickeln. Unspezifische Breitbandtherapien sind aus wirtschaftlicher Perspektive attraktiver, Baltimore sieht daher die Politik in der Verantwortung, die Entwicklung neuer Medikamente zu unterstützen.
Ein vielversprechender Therapieansatz könnte darin bestehen, das Immunsystem zu aktivieren, und die Selbstheilung zu unterstützen. Eine solche Immuntherapie in Kombination mit Medikamenten stellt nach Baltimore eine große Chance für manche Krebsarten dar.
Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören u.a.:
Dr. Baltimore ist Mitglied diverser Vereinigungen wie u.a. der American Academy of Arts and Sciences, der American Association for the Advancement (AAAS) of Science, der Association for Woman in Science, der American Academy of Microbiology und ist als auswärtiges Mitglied bei der Royal Society of London und der Französischen Akademie der Wissenschaft vertreten.
Für ihre „Entdeckungen auf dem Gebiet der Wechselwirkungen zwischen Tumorviren und dem genetischen Material der Zelle“ erhielten Baltimore, Renato Dulbecco und Howard M. Temin 1975 den Nobelpreis für Medizin. Zu diesem Zeitpunkt war Baltimore, der das Enzym Reverse Transkriptase entdeckte, 37 Jahre alt.